∗ 1868 Reibersdorf/Schlesien
† 1942 Dresden
Selbst von den ältesten Kaitzer Einwohnern wird sich kaum noch jemand an den Dekorationsmaler Adolf Neumann erinnern, der von 1895 bis 1942 in Kaitz wohnte.
Gustav Adolf Neumann wurde am 30. Januar 1868 in Reibersdorf in Schlesien geboren. Dieser Ort heißt jetzt Ribochowice und liegt sechs Kilometer östlich von Zittau auf heute polnischem Territorium. Der Vater war Häusler und Bergmann: im benachbarten Oppelsdorf wurde damals umfangreicher Braunkohlenbergbau betrieben.
Dem Schulbesuch von Adolf Neumann folgte eine künstlerische Ausbildung an der Gewerbeschule in Dresden, die er vermutlich 1884 abschloß. Sein spezielles Interesse galt dabei den Ornamenten. Danach ging er, wie früher üblich, „auf die Walze“, das heißt auf Wanderschaft. Er kam dabei quer durch Deutschland, aber auch bis nach Italien, unter anderem nach Venedig. Während dieser Zeit war er vor allem an der malerischen Innenausgestaltung von Kirchen beteiligt, zum Beispiel in Heidelberg.
Am 17. Juli 1892 heiratete er in Dresden die am 26. Januar 1870 in Altenburg geborene Hedwig Heinig. Die Neumanns wohnten zunächst in Dresden-Johannstadt am Stephanienplatz. Aus dieser Ehe stammen die Töchter Wally und Gertrud.
1895 war Adolf Neumann Bauherr eines Hauses in Kaitz bei Dresden auf dem Flurstück 88 d. Ab 1904 lautete dessen Adresse Leubnitzer Straße 30. 1926 – fünf Jahre nach der Eingemeindung von Kaitz nach Dresden – erfolgte die Umbenennung in die noch heute gültige Adresse Boderitzer Straße 79. Es war eines der zu jener Zeit entstehenden „Würfelhäuser“ in Kaitz. Zum Bau mußte Adolf Neumann Hypotheken aufnehmen. Später führte er fast alle handwerklichen Arbeiten in diesem Grundstück selbst aus. Unter anderem installierte er eine elektrische Klingelanlage, was bei seinem Enkel Interesse für dessen späteren Beruf weckte. Adolf Neumann wohnte mit seiner Familie im Erdgeschoß und hatte im heute noch erhaltenen Hintergebäude seine Werkstatt. Eine seiner beiden Töchter bezog später mit ihrer Familie eine Wohnung in der ersten Etage.
Adolf Neumann war bei einer Dresdner Malerfirma als Dekorationsmaler beschäftigt. Er arbeitete aber nicht nur in Kaitz, sondern vorwiegend in Dresdner Villen und führte dort vor allem anspruchsvolle Ornamente aus. Offenbar ist davon jedoch nichts mehr erhalten geblieben. Er war beispielsweise an der malerischen Innengestaltung der Wohnung des Kammersängers Robert Burg (Staatsoper Dresden) auf der Nürnberger Straße beteiligt: das kurz nach 1900 erbaute Haus hatte sehr hohe Zimmer mit stuckverzierten Decken. Auch die Räume der den älteren Drednern vielleicht noch bekannten Gartengaststätte „Große Wirtschaft“ im Großen Garten hat er malerisch ausgestaltet. Im Adreßbuch wurde er als „Adolf Neumann, Malergehilfe“, später als Dekorationsmaler, und zuletzt als „Privatus“ geführt. Leider konnten Musterzeichnungen, an die sich Familienangehörige noch erinnern, bisher nicht aufgefunden werden.
Als Hobby und zum Eigenbedarf für die Familie schuf Adolf Neumann mehrere Ölgemälde, meist Kopien, unter anderem Segelschiffe auf stürmischen Meereswellen sowie Wandbilder. Eines der Ölgemälde, eine Landschaft, ist mit 1912 datiert. Die Bilder blieben, wie auch die anderen Zeichnungen, im Besitz der Familie. Erhalten ist des weiteren ein 1929 entstandenes Ölgemälde, das seine beiden Enkel und im Hintergrund die Leubnitzer Kirche zeigt. Er hat auch sehr aufwändige Bemalungen von Möbeln mit Ornamenten durchgeführt. Dazu zählen eine Truhe für seinen Enkel, ein achteckiges Tischchen im marokkanischem Stil (jetzt im Besitz seiner Urenkelin), sowie ein Küchenschrank, der in den sechs Türfüllungen Gemälde mit holländischen Motiven aufweist. Besonders wertvoll ist eine Skizzenmappe mit bisher nicht veröffentlichten Aquarellen. Sie ist leider undatiert, könnte aber Mitte bis Ende der 1920er Jahre entstanden sein. Sie beinhaltet Bilder und Skizzen aus dem Dresdner Süden: Windberg, Kaitz, Mockritz, das Kaitzbachtal, Schloss Gamig und andere. Interessant ist dabei der Blick auf Cunnersdorf, etwa vom ehemaligen Nautelweg aus. Dieser Blick ist infolge der Wismuthalde seit mehr als 50 Jahren nicht mehr nachvollziehbar. Das gleiche gilt auch für die von ihm gezeichnete längst verschwundene Waltersmühle im Kaitzbachtal.
Über viele Jahre findet sich, ohne erkennbare Unterbrechung, in den Sitzungsprotokollen des Kaitzer Gemeinderates der Name Neumann. Zuerst Wilhelm Neumann – nicht mit Adolf Neumann verwandt – der am 30. Dezember 1904 „abdankte“. Bereits in der nächsten Sitzung, am 5. Januar 1905 „… wird Adolf Neumann vom Gemeinderatsvorsitzenden Franz als neu eintretendes Gemeinderatsmitglied feierlich mittels Handschlag verpflichtet …“ Noch am gleichen Tag wird er in die Gemeindesteuer- beziehungsweise Finanzkommission und in die Baukommission gewählt, und ist einer der aufsichtsführenden Gemeinderatsmitglieder bei Feuer im Orte. 14 Jahre lang übte Adolf Neumann diese Funktionen aus. Am 24. Januar 1919 nimmt er letztmalig an einer Gemeinderatssitzung teil und kandidiert nicht wieder (1921 wird Kaitz nach Dresden eingemeindet und der Gemeinderat aufgelöst).
Seit der Mitarbeit im Kaitzer Gemeinderat werden auch dort seine künstlerischen Fähigkeiten wirksam. Im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 17. März 1905 heißt es: „…Herr Neumann hat die ihm aufgetragene Copierung der Zeichnungen des Wasserwerkes Kaitz mit großer Sauberkeit und Genauigkeit ausgeführt. Der von ihm dafür berechnete Betrag von 90 Mark zu Kosten der Wasserkasse wurde genehmigt …“ Über den Verbleib dieser Zeichnung ist nichts bekannt.
Neumanns Tochter Wally heiratete Max Lorenz, der die „Große Wirtschaft“ im Großen Garten sowie das „Gewerbehaus“ in Dresden an der Ostraallee führte, und nach dessen Zerstörung im Februar 1945 das Volkshaus Laubegast übernahm. Von 1951 bis 1965 pachtete Familie Lorenz die Gaststätte „Edelweiß“ in Leubnitz.
Das Haus Boderitzer Straße 79 blieb bis 1967, also 72 Jahre lang, im Besitz von Adolf Neumann beziehungsweise dessen Erben. Dann mußte es „dem Staat (DDR) geschenkt“ werden. Das war eine damals in der DDR häufig praktizierte Maßnahme, wenn notwendige Reparaturen für „Privatbesitzer“ nicht ausführbar oder bezahlbar waren.
Adolf Neumann verstarb am 8. April 1942 im Alter von 74 Jahren. Das Urnengrab befand sich auf dem Friedhof Dresden-Tolkewitz, ist jedoch nicht mehr erhalten. Seine Frau Hedwig überlebte ihn 20 Jahre. Sie starb 1962 mit 92 Jahren und ist älteren Kaitzern noch gut in Erinnerung. Adolf Neumanns Enkel konnten dankenswerterweise den vorliegenden Beitrag durch wichtige Details ergänzen.
Dr. Siegfried Börtitz
Geschichtsverein Kaitz e.V.
Abbildungen:
1 Adolf Neumann 1936 – 67jährig Bild
2 Waltersmühle im Kaitzgrund
3 Kaitzgrund und Cunnersdorf, vom Nautelweg aus
4 Bachweg nach Mockritz vor der noch unbebauten Meraner Straße
5 Schloss Gamig
6 Kieferberg, im Hintergrund Poisenwald