Künstler in Kaitz (7)

Bild 1Bernhard Kretzschmar

∗ 1889 in Döbeln
† 1972 in Dresden

 

 


Bernhard Kretzschmar wurde am 29. Dezember 1889 in Döbeln geboren. Er entstammte einer kleinbürgerlichen Handwerkerfamilie, die in recht bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebte.

Schon während seiner Schulzeit begann er zu malen und fand in seinem Zeichenlehrer einen großen Förderer. 1904 trat er bei einem Maler in die Lehre, dessen Spezialität das Ausgestalten von Treppenhäusern war. Dieser Arbeit blieb Kretzschmar auch in seinen späteren Zeiten treu. Es gibt in Döbeln noch heute in einigen Häusern Ausmalungen von ihm. Seit 1908 besuchte er die Kunstgewerbeschule in Dresden. Von dort führte sein Weg 1911 an die Kunstakademie Dresden, wo die Aufnahmeprüfung von Robert Sterl vorgenommen wurde.

Bild 2Der ihn an der Akademie sehr prägende Lehrer war Carl Bantzer. 1913 unternahm Kretzschmar mit Freunden seine erste große viermonatige Reise nach Spanien und Italien. Von dort brachte er reichlich Skizzenmaterial mit. In seinen Studentenjahren hat er auch im Grundschlößchen von Mockritz gewohnt. Er siedelte sich somit in einer Landschaft an, die er niemals mehr verlassen sollte. Während des Krieges, im Jahre 1917, heiratete er Susanne Magdalene Charlotte Uhlmann aus Dresden-Plauen und mietete mit ihr eine kleine Parterrewohnung mit 3 Zimmern auf der Friebelstraße 62 in Gostritz an. In dieser Wohnung lebte er während seines gesamten Lebens.

Nach Susannes frühem Tod im Jahre 1942 ließ er alles in den Räumen unverändert. Er beließ sogar ihre Garderobe in den Schränken. Susanne war die ordnende Kraft in seinem Leben, sie war für ihn, den immer Unruhigen, der ruhende Pol. Beide verlebten sehr glückliche gemeinsame Jahre. Um die Hochzeit mit Susanne finanzieren zu können, verkaufte er die „Winterlandschaft am Kaitzbach“ [Abb. 4] für 80 Mark an die Akademie. Seine Frau wählte er sehr oft als Modell. Im früheren Restaurant „ Höhenluft“ in Gostritz verweilten sie häufig. Seine Frau ließ bei Geldmangel hier anschreiben. Hier entstand auch eines seiner berühmtesten Werke, das „Liebespaar in der Gaststätte Höhenluft“ (1926/1927) [Abb. 3]. Bei Kriegsausbruch meldete sich Kretzschmar als Freiwilliger, wurde aber als Ausgemusterter nur von 1917-1918 Sanitätssoldat in Bautzen.

Bild 3Nach dem Ende des 1. Weltkrieges kam es zu einem Generationswechsel an der Akademie. So folgte logischerweise auch eine Veränderung der künstlerischen Stilformen. Bei Kretzschmar war das viel geringer ausgeprägt als beispielsweise bei dem mit ihm befreundeten Otto Dix.

In tiefe finanzielle Not gerieten er und andere Künstler durch die Inflation. Es gab keinerlei Unterstützung. 1931 bezog Kretzschmar ein Atelier am Antonsplatz. Im Jahre 1932 wurde die „Dresdner Sezession 1932“ gegründet, deren Vorsitz er, Fraaß und Richter führten. Sie war vor allem eine wirtschaftliche Interessengemeinschaft der Mitglieder. Außerdem ging es um die Orientierung der Kunst auf menschliches Handeln. Bernhard Kretzschmar sagte dazu: “ Ein wirklicher Künstler ist immer der beste Pädagoge am Menschen“.

Bild 41934 wurde die Sezession von den neuen Machthabern verboten. Im Jahre 1937 wurden 47 seiner Arbeiten aus den Museen entfernt. Sie galten als entartete Kunst. Ein schwerer Schicksalsschlag ereilte den Maler danach: 1942 verstarb nach langer schwerer Krankheit (seit 1938) seine geliebte Susanne. Sie wurde auf dem Leubnitzer Friedhof beigesetzt. Kretzschmar fiel in schwerste Depressionen. Auf diese Gemütsverfassung weist auch sein späterer Entwurf „Einsamkeit - zu spät“, 1954, hin.

In der Zeit des Alleinseins von 1942 drohte ihm, dem „Undisziplinierten und Undisziplinierbaren“, der Einzug in den Krieg. Um die Einberufung zu umgehen, wurden er, Fraaß und Kesting von Löffler (der damals in Krakau lebte) nach dort eingeladen. Es waren dies künstlerisch sehr wertvolle Zeiten. Sogar Ausstellungen fanden in Krakau statt. Weiter ging es nach Galizien, wo er zeitweise mit zweierlei Papieren lebte und „Der stille Partisan“ genannt wurde.

Kretzschmar erkrankte schwer, kam schon in Krakau ins Krankenhaus und später, kurz nach seiner Rückkehr in die Heimat, ins Kreischaer Krankenhaus. So war er zur Zeit der Zerstörung Dresdens nicht in seiner geliebten Stadt. Bei der Bombardierung Dresdens wurden die meisten seiner Werke in seinem Atelier auf dem Antonsplatz ein Raub der Flammen. Nach seinen Worten verbrannten unzählige, z. T. noch nie gezeigte Bilder, in dieser Nacht. In den letzten Zeiten des Krieges hatte Kretzschmar damit alles verloren, seine Frau, sein Werk und sein Atelier. Erster Lichtblick danach war die Zuweisung eines wiederhergestellten sehr kleinen Ateliers im Akademiegebäude. Im Jahre 1946 wurde er Titularprofessor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden.

Bild 5Typisch für ihn war während seines gesamten Schaffens das lange Arbeiten an einem Werk. Häufig entfernte er alte Schichten und übermalte alles. Daher blieb das exakte Datieren der meisten seiner Werke sehr schwierig. Die erste Ausstellungsmöglichkeit nach dem Krieg war die Allgemeine Deutsche Kunstausstellung im Alten Armeemuseum. Kraft holte er sich in seiner Wohnung am Südrand der Stadt und schrieb: “Versunken in mich, und die Logik im Geschehen meines Lebens traumhaft beobachtend, beschaue ich die mir immer wieder neue sonnige Landschaft durchs offene Fenster meiner abseitigen stillen Wohnung. Umschwebt von harmonischen Geistern spinnen in mir Gestaltungen, und glückhaftes Empfinden verbindet mir Anfang und Ende mit dem schönen sichtbaren Nichts.“ Er verlangte durch sein „ Wurzelschlagen“ scherzhaft, nach seinem Tod „Der Herr von Gostritz“ genannt zu werden.

Bild 51954 brach er u. a. mit Fritz Cremer zu einer großen Reise über Moskau nach China auf. Von dieser Reise brachte er viel Material mit. Anfang der 50er Jahre lernte er Hilde Stilijanov, ebenfalls Malerin, und ihren Sohn Peter kennen. Die Künstlerin wurde 1958 seine zweite Frau. Mit ihr unternahm er Reisen an die Ostsee, später auch nach Bulgarien. Er hatte deutlich mehr Freude und Lust am Leben. Es entstanden nun viele farbenfrohe Bilder. Im Jahre 1959 erhielt er den Nationalpreis der DDR und war außerdem ab 1969 Mitglied der Akademie der Künste. Der Maler war in seinen letzten Lebensjahren sehr leidend, sehr viele körperliche Probleme plagten ihn nach einem Verkehrsunfall 1971. Trotz seines schlechten Gesundheitszustandes legte er niemals den Pinsel aus der Hand. Er kämpfte bis zu seinem Ende gegen alle Halbheiten und Mittelmäßigkeiten.

Bernhard Kretzschmar verstarb am 16.12.1972 und wurde in das Grab seiner geliebten Susanne auf dem Leubnitzer Friedhof gelegt.

Ich stehe, sehe, höre und entzücke
und alles
um mich, in sich, in mir singt.
B.K.

Dr. Ingeburg Liebig
Geschichtsverein Kaitz e.V.

Quellen:

Löffler, F.: Bernhard Kretzschmar, VEB Verlag der Kunst, Dresden 1985 Zimmermann, H. u. a.: Bernhard Kretzschmar, Ausstellungskatalog 1989 Stilijanov, P.: persönliche Informationen

Abbildungen:

1 Bernhard Kretzschmar um 1969

2 Friebelstraße mit Gasthaus Höhenluft 1933, Aquarell

3 Liebespaar in der Gaststube Höhenluft 1926/27, Öl/Lw., 92,5x126

4 Winterlandschaft am Kaitzbach 1916, Öl/Lw., 65x78

5 Frühling in Gostritz * mit Bus, Öl/Lw., 75x100,5

6 Blick von den Räcknitzer Höhen auf Dresden 1967/72, Öl/Hf., 101 cm x 78 cm

* Mockritz

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